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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Pianistin Patricia Hase zu Gast im Hauskonzert von Viviane Goergen

Von Erhard Metz

Wer in Frankfurt am Main die Ehre hat, einem der Hauskonzerte der auf eine weltweite Karriere als Konzertpianistin zurückblickenden Viviane Goergen beiwohnen zu dürfen, kann sich glücklich schätzen. Denn die Hausherrin, der die Förderung junger herausragender Musikertalente eine Herzensangelegenheit ist, verfügt neben ihrer grossen Erfahrung im internationalen Konzertbetrieb über ein feines Gespür und ebenso über ein „glückliches Händchen“ bei der Auswahl der Solistinnen und Solisten, die sie zu ihren Hauskonzerten einlädt. In der ersten März-Triade 2015 nun spielte die Pianistin Patricia Hase vor etwa 30 geladenen, fachkundigen Gästen auf und entfachte ein musikalisches Feuerwerk, das allen Anwesenden nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

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Viviane Goergen und Patricia Hase; Foto: Erhard Metz

„Eine Kombination von Natürlichkeit, Intelligenz und Mut – den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen“ bescheinigt der renommierte Konzertpianist und Klavierpädagoge an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Professor Matti Raekallio, der Pianistin. Natürlichkeit, Intelligenz und Mut – und nicht wenig von Letzterem – trafen wir in der Tat bei Patricia Hase an. Ihr Konzertprogramm war um einiges mehr als anspruchsvoll: Es begann mit Johann Sebastian Bachs bekanntem und durchaus prägnantem Präludium in C-Dur aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers: Eine akzentuierte, ja etwas eigenwillige Interpretation sorgte bereits für ein die Konvention an Einspielungen sprengendes Musikerlebnis, gefolgt von Frédéric Chopins virtuoser Konzertetüde Opus 10 Nr. 1 mit nicht weniger eigenwilligen Akzenten der Pianistin – allgemein als Hommage an eben jenes Bachsche C-Dur- Präludium angesehen.

Musikbeispiel anklicken:
Patricia Hase spielt Johann Sebastian Bach, Präludium und Fuge es-moll
BWV 853

Bereits an dieser Stelle möchten wir den Sprung machen zu dem Höhepunkt des abendlichen Konzerts nach der Pause: Ludwig van Beethovens Sonate in As-Dur Nr. 32 Opus 110. Es ist die vorletzte Klaviersonate des Meisters, komponiert im Jahr 1822, die er – seit langem schwer hörgeschädigt und seit 1818 ertaubt – niemals selbst zu Gehör bekam, jedenfalls nicht zu seinem „äusseren“, wohl aber zu seinem „inneren“. Das aktive Klavierspiel hatte Beethoven, der 1827 verstarb, um jene Zeit längst aufgeben müssen. Die dem Alterswerk zuzurechnende Sonate erfordert von jedem Interpreten ein hohes Mass an Einfühlungsvermögen und Respekt vor der Lebenstragödie des Komponisten.

Sie habe sich neulich, bekennt Patricia Hase an diesen Abend denn auch überaus liebenswert wie freimütig, im Gespräch mit einem namhaften, um die 60 Lebensjahre zählenden Musikprofessor gefragt, ob sie denn mit ihren 26 Jahren überhaupt in der Lage sei, ein derartiges Alterswerk aufzuführen. Das habe auch er sich unlängst für sich selbst gefragt, entgegnete – cum grano salis – der Professor, und er sei zu der Auffassung gelangt, eigentlich müsste man dafür wohl ein Alter von 500 Jahren erreicht haben. Patricia Hase nahm dieses Aperçu als eine Herausforderung an und spielte die Sonate nun auch bei Viviane Goergen in einer faszinierenden, alle Sinne ergreifenden Weise. Betroffene Stille nach Verklingen des Schlussakkords, dann aufbrandender Applaus für die Künstlerin!

Gerade diese der drei letzten Klaviersonaten Beethovens wird besonders oft mit seinem tragischem Schicksal als ertaubtes Musikergenie in Verbindung gebracht. „Von der Unschuld des Anfangs über Zwist und Streit, Klage, Leid und Verzagen zu mutigem Aufschwung durch die Kraft des Geistes“, schreibt der grosse Pianist Jörg Demus über das Werk. „Ja, das scheint mir der Grund für die erschütternde, erhebende Wirkung von op. 110 zu sein: Der Triumph des Geistes.“ Die nach der Literatur dreisätzige Sonate – Patricia Hase differenziert das Opus und weist als einen vierten Satz die Fuga aus – hat ihren Schwerpunkt in jenem dritten und längsten Satz, der von einer Fülle an Takt- und Tonartwechseln und detaillierten Vortragsbezeichnungen bestimmt ist: Wir finden dort ein „arioso dolente“, den klagenden Gesang, ein „perdendo le forze, dolente“, das Leiden, das Verlassen der Kraft, und dann ein „poi a poi di nuovo vivente“, das nach und nach zu neuem Leben Erwachen. Kann eine vergleichsweise junge Pianistin solches spielen? Ja, Patricia Hase kann es!

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Patricia Hase am Flügel von Viviane Goergen; Foto: Erhard Metz

Patricia Hase wurde 1989 in Wiesbaden geboren. Bereits seit dem fünften Lebensjahr erhielt sie Klavierunterricht. Das Klavier blieb ihr ständiger Partner während der Schulzeit und an der Musikschule, aber der „Durchbruch, der mein Leben entscheidend verändern sollte, kam erst mit 18“, wie sie uns im Gespräch sagte. Wenn Du eine Konzertkarriere starten willst, wurde ihr gesagt, dann wird es jetzt Zeit. „Auf einmal war es da, es kam von Null auf Hundert“, erzählte sie. „Es gab jetzt das klare und nur eine Ziel – Konzertpianistin zu werden.“ Von da an spielte sie gewissermassen „Tag und Nacht“ Klavier. Ihre Eltern unterstützten sie – Voraussetzung war das Abitur – und willigten in ein Klavierstudium ein. Sie bestand die schwierige Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, und fand einen grossartigen Pianisten und begnadeten Musikpädagogen, wie Viviane Goergen es formulierte, als Lehrer: den bereits genannten finnischen Professor Matti Raekallio. Auch nach ihrem Masterexamen vervollkommnet sie bei ihm weiter ihre pianistischen Fähigkeiten. Schon jetzt hebt die Fachwelt ihr warmes Spiel, ihre tiefgründigen Interpretationen und ihre ausgereifte Virtuosität hervor. „Hoffnungslos verliebt in das Klavier“ sei sie, bekannte sie in unserem Gespräch, „und dem Instrument hoffnungslos verfallen“. Und sie überträgt ihre Liebe zum Instrument und zum Spiel jederzeit auf ihr Publikum, allein schon bei ihren anschaulichen Anmoderationen.

Patricia Hase, schon jetzt im In- und Ausland bekannt und gefragt, konzertierte unter anderem in der Alten Oper Frankfurt, in Hannover im Landesfunkhaus des Norddeutschen Rundfunks und im Richard Jakoby-Saal, im Wiesbadener Kurhaus, im “Solitär” des Mozarteums Salzburg oder im Konzerthaus Mikaeli in der finnischen Stadt Mikkeli und spielte bei Rundfunkaufnahmen wie zum Beispiel im Hessischen Rundfunk. Sie musizierte unter anderem beim Four Winds Festival in Finnland, der Heidelberger Klavierwoche, den Fränkischen Musiktagen oder beim Internationalen Musik Festival Buxtehude und konzertierte mit dem finnischen Orchester „St. Michael Strings“, dem Sinfonieorchester „Junges Schostakowitsch Ensemble“ oder bei den Internationalen Meisterkursen mit der „Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz“.

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Patricia Hase, Foto: Johannes Helsberg

Wie verhält sich ihr Leben mit den vielen Reisen, fragten wir die Künstlerin. Die Konzerttätigkeit bereite ihr viel Freude, antwortet sie im Gespräch, denn sie lerne dabei neue Orte, andere Menschen und andere Instrumente kennen. Wichtig sei ihr, eine „Vertrautheit“ mit einem jeweils neuen Publikum zu gewinnen. Meist falle es ihr leicht, sich unterwegs mit einem noch unbekannten Konzertflügel zu arrangieren, manchmal müsse sie sich erst auf einem ungewohnten Instrument einspielen. „Und wo ist Ihr Zuhause?“ „Mein Zuhause ist mein Instrument, wo immer es steht“. „Gibt es einen Lieblingskomponisten?“ „Franz Schubert, seine Musik ist irgendwie ‚in mir drin‘. Seit einem Jahr beschäftige ich mich auch intensiv mit Beethoven, mit seinen Klaviersonaten, die für mich ‚Schlüsselwerke‘ sind“.

Die Pianistin ist bereits mehrfache Bundespreisträgerin des Wettbewerbes „Jugend musiziert“. Sie gewann den ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb zu Ehren Robert Schumanns in Zwickau. 2009 erhielt sie für die Uraufführung der „Toccata“ von Enjott Schneider den Förderpreis der Mainzer „Pro Musica Viva – Maria Strecker-Daelen Stiftung” im Rahmen des Internationalen Wettbewerbs Wiesbaden. Beim Internationalen Klavierwettbewerb „Münchner Klavierpodium“ wurde sie gleich mehrfach ausgezeichnet, so mit dem „Piano-Fischer-Preis” München, dem “Soirée-Piano-Preis“, Paris, und dem „Chance Festival-Preis“, München. Patricia Hase ist Stipendiatin des „Drohsin Förderpreises“, Lionsclub Wiesbaden Mattiacum.

Bereits im Jahr 2009 wurde sie in dem Film zur Wiedervereinigungsfeier 2009 porträtiert. Im Januar 2015 erschien jetzt ein neues Filmporträt der Pianistin unter der Regie von Martin Riedmiller.

Anklicken:
Patricia Hase: Ein Filmporträt

Ein Ausblick auf die nächsten Konzerte: Am Samstag, den 4. April 2015 um 19.30 Uhr wird Patricia Hase in der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz in einem Klavierabend die schon erwähnte Sonate Opus 110 von Ludwig van Beethoven vorstellen (Informationen unter: www.konzertverein.com).

Am Freitag, den 17. April 2015 um 19.30 Uhr können sich die Zuhörer auf einen besonderen Konzertabend im Richard Jakoby-Saal in Hannover mit dem Ensemble Galina unter der Leitung von Dirigent Peter Leipold und Patricia Hase als Solistin freuen. Auf dem Programm stehen Jugendwerke zweier besonderer Komponisten: Ludwig van Beethovens 2. Klavierkonzert B-Dur Opus 19 und das „Konzert für Klavier, Pauken und Streichorchester” von Galina Ustwolskaja (Infomationen unter: www.hmtm-hannover.de; www.peter-leipold.com; www.patricia-hase.de).

Last not least sehr zu empfehlen ist die CD „Patricia Hase spielt Werke von Chopin, Schumann, Schubert und Mendelssohn Bartholdy“. Im Audio-Download zu erwerben ist „Wiesbaden beflügelt“ mit den Interpreten Ingo Dannhorn, Patricia Hase, Mai Kobayashi, Ulrich Meining, Johannes Möller, Eva Schaumkell, Franz Vorraber und Werken für Klavier von Claude Debussy, Gabriel Fauré, Alfred Grünfeld, Peter Martin Leipold, Franz Liszt, Moritz Moszkowski, Maurice Ravel, Franz Vorraber (Informationen: www.patricia-hase.de).

Musikbeispiel anklicken:
Patricia Hase spielt Frédéric Chopin, Walzer a-moll opus posthum

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Eugène Delacroix, Porträt des Frédéric Chopin (Fragment des Doppelbildnisses mit George Sand), 1838, Öl auf Leinwand, 46 × 38 cm; wikimedia commons/The York Project

→ Pianist Jean Muller im Hauskonzert von Viviane Goergen und in der Alten Oper Frankfurt
→ Pianist Xi Zhai im Hauskonzert von Viviane Goergen

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