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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (3)

Arie Van Selm: Die Krähe – schreitend und sitzend

Von Erhard Metz

Ende 2014 berichtete „SPIEGEL online“ – unter Verweis auf die Fachzeitschrift „Current Biology“ – über Forschungsergebnisse in Russland und den USA, nach denen Krähen sozusagen geistige Leistungen erbringen können, wie sie im Tierreich bislang nur bei Affen nachgewiesen werden konnten. In den Versuchen ordneten die Krähen mit Symbolen versehene Spielkarten gemäss deren Zusammengehörigkeit und darüber hinaus sogar nach abstrakten Kategorien.

Im März dieses Jahres stellte das Magazin „stern.de“ ein Mädchen in Seattle vor, das im häuslichen Garten regelmässig Krähen fütterte, worauf diese dem Mädchen ebenso regelmässig jede Menge – durchaus von weiter her herbeigeschaffte – kleine, zumeist bunte und glitzernde Geschenke brachten: Knöpfe, Steine, Glasstückchen, Metallenes, Lego-Bausteine und so weiter. Das Kind hat bereits eine umfangreiche Sammlung dieser Mitbringsel angelegt.

Mit den Raben und Dohlen gehören die Krähen zur Familie der Rabenvögel. In zahlreichen wissenschaftlichen Beobachtungen und Experimenten wurden ihre ausgeprägte Merk- und Lernfähigkeit sowie die Fähigkeit zu komplexen Handlungsabläufen nachgewiesen. In Märchen und Mythen sowie im Volksglauben spielen Raben und Krähen seit alters her eine Rolle.

Kein Wunder also, dass sich auch Künstler wie der 1950 in Utrecht geborene Maler und Bildhauer Arie Van Selm mit den als „intelligent“ angesehenen Vögeln auseinandersetzen.

Zu den „Blickachsen 10“ sind zwei seiner Krähen-Skulpturen – im Bad Homburger Kurpark sowie auf dem Vorplatz der Kunsthalle Darmstadt – zu sehen.

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Die Krähe (schreitend), 2010, Bronzeguss, schwarz patiniert, Ex. 6/9, 207 x 102 x 287 cm, Sammlung Sander; Fotos: Erhard Metz

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Die Krähen – obgleich gewandte Flieger – gehen gerne „zu Fuss“, forsch und zielbewusst vorwärtsschreitend nehmen sie sich mitunter recht spassig aus. Mit ihrem aus Menschensicht strengen Blick beobachten sie sehr genau das, was um sie herum geschieht. Arie Van Selm hat diese klugen Vögel in ihren Bewegungen und ihrem Verhalten offensichtlich genau studiert. Vielfach hielt er sie in seiner Werkreihe „Crow Paintings“ in mittelformatiger Malerei in Öl bzw. in Öl und Pigmenten auf Leinwand fest. Als Bronzeguss stellt er sie seit längerem in grossen, mittleren und kleinen Formaten und in verschiedener Weise patiniert sowie in einer Edition her. In Bad Homburg und vor der Kunsthalle Darmstadt stehen die bemerkenswerten Vögel schwarz patiniert im Grossformat mit über zwei Meter Höhe auf einem schwarzen Sockel – im Park leider, dem Untergrund geschuldet, zusätzlich auf einem Fundament aus Beton.

Arie Van Selm, Die Krähe _ The Crow (sitzend), 2015, Blickachsen 10 (2015) Darmstadt, courtesy Stiftung Blickachsen, Bad Homburg, und Künstler (2)-600

Die Krähe (sitzend), 2015, Bronzeguss, schwarz patiniert, Ex. 4/9, 240 x 76 x 242 cm; Foto: courtesy Stiftung Blickachsen, Bad Homburg, und Künstler

Die Oberflächen der Skulpturen sind glatt gestaltet, das Gefieder, Augen oder Schnabel, Beine oder Füsse stilisierend ausgeführt. Doch gerade deshalb tritt die Figur der Vögel um so markanter hervor, und ihre besondere Wesens- und Verhaltensart wird sinnfällig herausgearbeitet: das zielbewusste Vorangehen des schreitenden Vogels, das aufmerksam-ruhige Beobachten des sitzenden. Bemerkenswert, wie letzterer auf dem leicht nach vorn geneigten Sockel mit seinem Flügel- und Schwanzgefieder die Balance hält.

Arie Van Selm zu seiner plastischen Gestaltung der Krähe: „In der Natur kann sie durch ihre Künstlichkeit erstaunen. In der Stadt mag sie durch ihre Natürlichkeit beruhigen.“

Abbildungen: Courtesy Stiftung Blickachsen gGmbH, Bad Homburg; Fotos: Stiftung Blickachsen und Erhard Metz

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