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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen auf dem Campus Riedberg der Frankfurter Goethe-Universität (2)

40 Stelen auf 60 Metern
Über den Werdegang eines Kunstwerks

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Von Erhard Metz

Wir befinden uns auf dem Gelände der Johann Wolfgang Goethe-Universität (heute leider nur noch Goethe-Universität genannt, so viel Zeit für den vollen Namen des grössten Sohnes Frankfurts hätte durchaus sein dürfen), genauer gesagt auf dem den Naturwissenschaften vorbehaltenen Campus Riedberg. Derzeit und in den kommenden Wochen entsteht dort – wie wir bereits in erster Folge berichteten – auf einem Stück freier Natur und folglich unter freiem Himmel ein Kunstwerk – und wir erweisen dem grössten Sohn der Stadt mit dem Beginn eines seiner wunderbaren Gedichte unsere Reverenz:

„Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh‘ man es denkt, gefunden …“

Verfügte Goethe etwa über hellseherische Fähigkeiten?

Man könnte das Opus in constructio wohl der „Land Art“ in einem weiteren Sinne zuordnen, einer Gattung der Bildenden Kunst, in der ursprünglich eine vorgefundene geografische Struktur beziehungsweise Situation im Wege einer künstlerischen Intervention, also einer konzepthaften, oft grosse Territorien einnehmenden Einwirkung mit künstlerischen Mitteln, zu einem Kunstwerk umgestaltet wird. Heute versteht man unter Land Art vielfach auch Kunst in einer Landschaft, ohne jedoch letztere selbst substantiell zu verändern. Voraussetzung ist jedoch stets ein erkennbarer, konzeptioneller Bezug zwischen Landschaft und künstlerischem Artefakt. So erfüllen eine Skulptur, auch wenn sie auf einer Grünanlage unter freiem Himmel aufgestellt ist wie etwa „Turm II“ von Werner Pokorny, oder ein städtischer Skulpturengarten nicht die Kriterien der Land Art. Wie auch immer – den der freien Natur in Wind und Wetter ausgesetzten Werken, seien sie aus Stein, Holz, Metall oder anderen Materialien, eignet im Zuge umweltbedingter Einwirkungen mehr oder weniger eine gewisse Prozesshaftigkeit und oft Vergänglichkeit, was mitunter gerade einen beabsichtigten und wesentlichen Bestandteil der Arbeit darstellen kann.

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Stein um Stein muss präzise nach den Vorgaben der Künstlerin Anna Kubach-Wilmsen ausgerichtet werden

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↑ Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen und Robert Anton, Landschaftsarchitekt der Universität und Technischer Leiter des Wissenschaftsgartens, an der Kunst-„Baustelle“

↓ Mit viel Fingerspitzengefühl an schwerem Gerät: Garten- und Landschaftsbau-Meisterin Sabine Jung

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Inzwischen sind 41 der Granitsäulen als Stelen ausgewählt, jeweils mit einem Betonsockel versehen und in unregelmässigen, auf die jeweiligen Konturen Bezug nehmenden Abständen in einer Linie auf der Grünfläche entlang der Zufahrtsstrasse hin zu den Gewächshäusern des Wissenschaftsgartens gesetzt. Nach Aushärtung des Betons wird der eigentliche künstlerische Bearbeitungsprozess beginnen. Nach Reinigung der Granite mit einem Hochdruckgerät wird die weithin bekannte Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen die Stelenköpfe beschleifen und auf ihnen plane, konkave und konvexe Oberflächenstrukturen ausbilden. Wir dürfen darauf hoffen, der Künstlerin dabei ab und an „über die Schulter schauen“ zu können.

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41 frisch gesetzte Granitstelen warten nun auf ihre künstlerische Bearbeitung

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Ein schmaler Schotterweg soll zwischen den Steinen hindurchführen, so dass sich der Besucher zwischen den Stelen und innerhalb der entstehenden Grossskulptur bewegen und auf diese Weise mit ihr interagieren kann. Geplant ist weiter eine gärtnerische Gestaltung, die zu der Skulptur in einer korrespondierenden Beziehung steht. Landschaftsarchitekt Robert Anton hat dafür – in Anspielung auf das auf 80 Jahre geschätzte Alter der steinmetzgerechten Bearbeitung der Stelen – bereits rund 80 Jahre alte Gladiolenknollen vorgesehen, die ebenso wie die Steine vom Campus Westend der Universität stammen.

Fotos: Erhard Metz (5), Carsten Siebert (2), Sabine Jung (1)

→ Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen auf dem Campus Riedberg der Frankfurter Goethe-Universität (3)
Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen auf dem Campus Riedberg der Frankfurter Goethe-Universität (1)

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