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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt (4)

HIMMEL
HÖLLE
FEGEFEUER

aus Sicht
afrikanischer Gegenwartskünstler

Über drei Ausstellungsebenen verfügt das grossartige Stammhaus des Frankfurter Museums für Moderne Kunst an der Domstrasse – demnächst MMK 1 geheissen, wenn die Dependance im TaunusTurm als MMK 2 den Ausstellungsbetrieb aufnimmt und das MMK Zollamt zum MMK 3 wird. Im Stammhaus beherbergen die obere Ebene die Dantesche „Hölle“ und die mittlere dessen „Fegefeuer“. Dementsprechend steigen wir nunmehr hinab bzw. je nach Sichtweise herab in den

HIMMEL (PARADIES)

Und ein weiteres Mal warnen wir vor der möglichen Fehlannahme, die Ausstellung „Die Göttliche Komödie. HIMMEL HÖLLE FEGEFEUER aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler“ stelle eine Art von Illustrierung der Danteschen „Divina Commedia“ dar.

„Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden,
Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio“

zitieren wir Hamlet, und lenken den Blick auf eine Arbeit von Ndary Lo im Treppenhaus, gewissermassen also zwischen Himmel und (nicht Erde, sondern hier) Fegefeuer. Der 1961 in Tivaouane, Senegal geborene Künstler studierte an der École Nationale des Beaux-Arts in Dakar, wo er auch heute lebt und arbeitet. Seine in einem „Zwischenraum“ schwebenden, dünnen, Giacometti-haften Figuren sind aus Eisen. Sie breiten die Arme wie ein Fliegender oder wie ein Kruzifixus aus. Ndary Lo sagt: „Ich sehe die Welt, in der wir leben, zugleich als Hölle und als Fegefeuer. Unsere einzige Hoffnung in diesem Leben, alles was uns zu tun übrig bleibt, besteht darin, unser Bestes zu tun, um eines Tages in den Himmel eingelassen zu werden. ‚The Day  After‘ ist eine Installation, in der man nach einer langen Wanderung durch einen dichten und dunklen Wald einen Raum erreicht, in dem alles aufgehoben zu sein scheint und man diese besondere Spannung spüren kann, die wir vor Antritt einer Reise erfahren, deren Ziel wir nicht wirklich kennen.“

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Ndary Lo, The Day After, 2013, aus der Serie „Self-Portrait As a White Man“, Installationsansicht, © VG Bild-Kunst, Bonn

Maurice Pefura wurde 1967 in Paris geboren, wo er heute lebt und arbeitet. Der zum Architekten ausgebildete Künstler zeigt eine begehbare Installation aus weissem, sich im Lufthauch sanft bewegendem, verletzlich erscheinendem Papier. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, weiss auf weiss gedruckt, Zeilen aus Dantes Paradiesgesängen. Raum, Licht und geschriebenes Wort verbinden sich zu einem Ganzen.

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↑↓ Maurice Pefura, The Silent Way, 2013, Papier, Draht, Acryl, Holz, Styropor; Installationsansichten, Courtesy der Künstler

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Architektonisch mutet auch die ebenfalls begehbare Installation von Nabil Boutros, 1954 in Kairo geboren, an. Auf einem mit einem blau-weissen Wolkenhimmel bemalten Holzboden errichtet er ein labyrinthisches Kabinett aus zweiseitigen, mit Goldfolie beschrifteten Spiegeln. Eine ruhige, poesievolle Arbeit. Boutros studierte an der École des Arts Décoratifs in Kairo und an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Er lebt und arbeitet in Kairo und Paris.

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Nabil Boutros, Promises Gate, 2014, Bemaltes Holz, Spiegel, Metallstützen, Klebefolie; Produziert von MMK Museum für Moderne Kunst, Courtesy der Künstler

Pascale Marthine Tayou, 1967 in Yaoundé, Kamerun geboren, eröffnet mit seinen drei „Cercles de cristal“ den Ausstellungsparcour bei Eintritt in die Zentralhalle des MMK. Sie symbolisieren den Frieden (weiss), das Leben (rot) und den Krieg (schwarz). “ ‚Les cercles de cristal‘ spricht von meinem Blick auf die Welt, die mich wie ein unauflöslicher Knoten umgibt, die mich verschluckt, würgt, abweist, erdrückt und begräbt. Das Werk hat zum Ziel, mir Abstand von der Wüste der Einsamkeit zu gewähren, durch das Innerste des existenziellen Chaos zu wandern und schliesslich das Leben wieder am Herz dieser brutal zivilisierten Welt zu verorten“ – so beschreibt der Künstler seine Installation.

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Abdoulaye Konaté, La Danseuse, 2007, Danse de Kayes, 2008, Danse au camm n. 1, 2008; Gewebtes Tuch, verschiedene Stoffe, Installationsansicht (Ausschnitt), Collection Saro Léon, Las Palmas de Gran Canaria

Abdoulaye Konaté wurde 1953 in Diré, Mali geboren. Er lebt und arbeitet in Bamako als Künstler und als Direktor des dortigen Konservatoriums für Kunst und Medien. Auch in seiner Textilarbeit – hier einer Tänzerin und vier „Danses“ – setzt er sich mit Traditionen, Machtstrukturen und zwischenmenschlichen Beziehungen auseinander.

Ausser den in unseren drei Folgen „Hölle“, „Fegefeuer“ und „Himmel“ erwähnten nehmen folgende Künstlerinnen und Künstler an der Ausstellung teil:
Ghada Amer (*1963 Kairo), Kader Attia (*1970 Dugny/Seine-Saint-Denis, Frankreich), Sammy Baloji (*1978 Lubumbashi, Kongo), Berry Bickle (*1959 Bulawayo, Simbabwe), Zoulikha Bouabdellah (*1977 Moskau), Mohamed Bourouissa (*1978 Blida, Algerien), Edson Chagas (*1977 Luanda, Angola), Loulou Cherinet (*1970 Gothenburg, Schweden), Kudzanai Chiurai (*1981 Harare, Simbabwe), Franck Abd-Bakar Fanny (*1971 Elfenbeinküste), Jellel Gasteli (*1958 Tunis), Pélagie Gbaguidi (*1965 Dakar, Senegal), Kendell Geers (*1968 Johannesburg), Frances Goodman (*1975 Johannesburg), Nicholas Hlobo (*1975 Kapstadt), Mouna Karray (*1970 Sfax, Tunesien), Amal Kenawy (1974 – 2012 Kairo), Majida Khattari (*1966 Erfoud, Marokko), Kiluanji Kia Henda (*1979 Luanda, Angola), Jems Koko Bi (*1966 Sifra, Elfenbeinküste), Nicène Kossentini (*1976 Sfax, Tunesien), Ato Malinda (*1981 Nairobi, Kenia), Julie Mehretu (*1970 Addis Abeba, Äthiopien), Myriam Mihindou (*1964 Libreville, Gabon), Mwangi Hutter (*1975 Nairobi, Kenia und Ludwigshafen), Youssef Nabil (*1972 Kairo), Lamia Naji (*1966 Casablanca), Moataz Nasr (*1961 Kairo), Cheikh Niass (*1966 Dakar, Senegal), Zineb Sedira (*1963 Paris), Guy Tillim (*1962 Johannesburg), Andrew Tshabangu (*1966 Johannesburg) und Minnette Vári (*1968 Pretoria).

Der Kurator der Ausstellung Simon Njami wurde 1962 in Lausanne geboren und lebt in Paris. Seine Eltern stammen aus Kamerun. Njami organisierte bereits zahlreiche Ausstellungen zur zeitgenössischen afrikanischen Kunst, darunter „Africa Remix“ (2004-2007). Er kuratierte den afrikanischen Pavillon der Biennale Venedig 2007 sowie die FNB Joburg Art Fair 2008 in Johannesburg und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zu afrikanischer Kunst.

Die derzeitige, fast das ganze Haus in Anspruch nehmende Ausstellung im MMK dürfte auf absehbare Zeit ein singuläres Ereignis nicht nur für Frankfurt und Hessen bedeuten. Sie – und durchaus wiederholt – zu besuchen sollte ein wirkliches „Must“ dieses Kulturjahres 2014 sein.

“Die Göttliche Komödie”, MMK Museum für Moderne Kunst, bis 27. Juli 2014

 Zitate einzelner Künstler sind dem “Kurzführer zur Ausstellung” (Hrg. MMK Museum für Moderne Kunst) entnommen; Fotos: FeuilletonFrankfurt

→  Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt
→  Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt (2)
→  Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt (3)

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