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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ottmar Hörl: Goethe-Installation auf dem Campus Westend der Frankfurter Universität

Von Erhard Metz

„Goethe ist der berühmteste Sohn der Stadt. Goethe IST Frankfurt! Und er ist eine der faszinierendsten Frankfurter Persönlichkeiten. Er war weltoffen, neugierig, blickte über den eigenen Tellerrand, entwickelte in vielen Bereichen eine unglaubliche Bandbreite, das kann Inspiration für zukünftige Generationen sein“, schreibt Ottmar Hörl.

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Ottmar Hörl mit „seinem“ Goethe

Zum 100. Geburtstag der Goethe-Universität Frankfurt am Main schuf Ottmar Hörl, bekannter Bildhauer und Konzeptkünstler, auf der weitläufigen Wiese des Campus Westend eine Grossinstallation mit rund 400 gut einen Meter hohen Goethe-Figuren, die am 10. Juni 2014 in Anwesenheit des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein, feierlich eröffnet wurde.

Nicht von ungefähr vermuten Kenner das Goethe-Denkmal von Fritz Schaper (1841-1919) im Berliner Tiergarten als eine Quelle der Inspiration – mit der Papierrolle in der rechten Hand. Sie weist Goethe vor allem als Schriftsteller aus. „Er hat ja allein 60.000 Briefe geschrieben“, bewundert Hörl das Universalgenie. Der in Nauheim geborene Südhesse und Absolvent der Städelschule weiss, dass Goethe und Frankfurt am Main zusammengehören. Und als es galt, 100 Jahre Goethe-Universität zu feiern, war dem Künstler klar: „Da bleibt ja nur Goethe. Denn ich kann nicht etwas für die Goethe-Universität machen und Goethe vergessen. Was mich fasziniert hat ist das Gelände vor dem IG Farben-Haus. Es ist ein so wahnsinnig schönes Gelände für eine Arbeit im öffentlichen Raum, da kann man sich nicht entziehen.“

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Wieviele Goethe-Skulpturen und -denkmäler gibt es deutschland- und europaweit, wer wollte sie zählen? Eine Gross-Skulptur, ein weiteres Denkmal gar, kam für Ottmar Hörl nicht in Frage. Es widerspräche seiner Philosophie. Ein Denkmal stehe, sagt der Künstler, unverrückbar auf seinem Sockel vor sich hin, bis es, von der Gesellschaft kaum mehr wahrgenommen, altere und zerfalle. Seit jeher versteht Hörl deshalb seine Skulpturen als „Organisationsprinzip“: sie sollen möglichst viele Menschen in einen kulturellen Diskurs mit einbeziehen. Deshalb die serielle Produktion, die nur temporäre Installation, das Angebot an ein breites Publikum, eine Figur preisgünstig zu erwerben. Ein Einzelwerk hingegen verschwinde, nach Durchlaufen einer Galerie oder gar eines Auktionshauses, das es noch dazu verstehe, den Preis aufzuputschen, zumeist in der Privatheit eines wiederum zumeist wohlhabenden Sammlers. Hörls Kunst ist demgegenüber eine gesellschaftsoffene, ja gewissermassen demokratische. „Die Krankenschwester mit 1000 Euro monatlich netto“, führt er gern als Beispiel an, „kann nicht ein Einzelwerk erwerben, wohl aber eine solche serielle Figur“. Entsprechend moderat sind die Preise, für einen „Goethe“ 350 Euro (in der nicht signierten Version). Dabei ist für Ottmar Hörl wiederum typisch: Er vorfinanziert das Projekt allein – ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand oder eines Sponsors -, im Falle „Goethe“ in einem Volumen von rund 150.000 Euro.

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Entsprechend sollen die Goethe-Figuren nach dem Ende der temporären Installations-Aktion auf dem Campus als öffentlichem Raum auf Wanderschaft gehen und einen breiten Käuferkreis finden – in privaten Haushalten wie in Firmenbüros und Rathäusern, gemäss dem Motto des früheren Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann: „Kultur für alle“. Er habe sich, sagt Hörl mit einem kleinen Augenzwinkern und doch von seiner Idee überzeugt, schon immer gewünscht: „Jeder Mensch soll ein Werk von mir haben oder wenigsten jemanden kennen, der eines hat“.

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In den vier Farben Honiggelb, Türkisgrün, Purpurrot und Enzianblau kommen die vierhundert Goethes daher: Sie korrespondieren zum einen mit Goethes Farbenlehre, die der Dichter selbst – wie wir heute wissen irrtümlicher Weise – für bedeutsamer hielt als sein literarisches Werk. Wie wir auf seiner berühmten aquarellierten Federzeichnung von 1809 lesen, stand Rot für Vernunft, Gelb für Verstand, Grün – ins Blau übergehend – für Sinnlichkeit und Blau, wiederum ins Rot übergehend, für Fantasie. Im Blick auf das Scheitern der Farbenlehre bezeichnet Hörl das „Universalgenie“ insoweit als einen „Dilettanten“. „Grösse und Scheitern nahe beieinander – das macht Goethe so menschlich“. Die vier Farben der Figuren nehmen zum anderen auf die Farben der Gründungsfakultäten vor 100 Jahren Bezug. „Die Goethe-Figuren sind Botschafter unserer Universität im Jubiläumsjahr“, sagt Universitäts-Vizepräsident Professor Manfred Schubert-Zsilavecz. „Die Goethe-Figuren werfen auch die Frage auf, was uns Goethe heute noch im Hinblick auf das Selbstverständnis der Goethe-Universität sagen kann“.

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↑ Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität

↓ Pressekonferenz mit Ottmar Hörl, Professor Gregor Schulz, Vorstandsvorsitzender der Biotest AG, Professor Schubert-Zsilavecz und Olaf Kaltenborn, Leiter Marketing und Kommunikation der Goethe-Universität

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Ottmar Hörls Goethe-Figuren: Botschafter der Universität in der Stadt und darüber hinaus

Hörl versteht seine Goethe-Figur als Ikone, als ein Zeichen. Auf dem Campus blicken die einzelnen Miniaturen in alle Himmelsrichtungen – Symbol für Goethe als Universalgelehrten. Sie stehen nicht dicht gedrängt beieinander, sondern in einer einen gewissen Respekt gewährenden Distanz. Die Figuren sind jeweils auf einer kleinen Plattform montiert, die – ihrerseits auf einem Erdspiess befestigt – etwa zehn Zentimeter über dem Boden „schwebt“ – Sinnbild für Goethes Genius.

Die Idee der Goethe-Installation auf dem Campus Westend wurde vor rund zwei Jahren geboren, wobei Carsten Siebert, heute ihr Kurator, zugleich Kurator des „KunstRaum Riedberg“ der Universität, auch durchaus die Rolle eines Initiators für sich in Anspruch nehmen kann.

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Kurator der Goethe-Installation Carsten Siebert (Foto: Albert Schmude)

Ottmar Hörls „Goethe für alle“ misst 1,07 Meter in der Höhe. Er besteht aus hochwertigem, wetterfestem Kunststoff. Das Herstellungsverfahren gestaltet sich aufwändig: Aus einer Urform in Ton entsteht nach der Silikonabformung eine Wachsfigur, die wiederum Grundlage der späteren Giessform und der Fertigung der Figur im Vakuumverfahren ist. In einem kleinen, familiär geführten Spezialbetrieb in Coburg können täglich nur etwa 20 dieser Figuren hergestellt werden. Die Gesamtauflage beträgt circa 650 Exemplare – der Anzahl der Studenten bei der Gründung der Universität entsprechend. Bis zum 20. Juli 2014, dem Abbau der Installation, kann eine – signierte – Figur zum Subskriptionspreis von 500 Euro und anschliessend zum Normalpreis von 700 Euro erworben werden. Nicht signierte Figuren kosten konstant 350 Euro.

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Ottmar Hörl wurde 1950 im südhessischen Nauheim bei Groß-Gerau geboren. Er studierte an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – der Städelschule – sowie an der Hochschule für Bildende Künste Düsseldorf (dort bei Professor Klaus Rinke). Seit 1999 ist er Professor für Bildende Kunst an der entsprechenden Akademie in Nürnberg und seit 2005 deren Präsident. Der Künstler lebt in Frankfurt am Main, Nürnberg und Wertheim.

Hörls serielle Werke sind deutschland- wie europaweit bekannt: seine Gartenzwerge (zum Teil mit ausgestrecktem „Stinkefinger“ oder mit „Hitlergruss“) und Dürerhasen, Erdmännchen und Pinguine, Seelöwen und Frischlinge, Raben und Hunde usw. usw.; seine Figuren von Karl dem Grossen, Karl Marx, Richard Wagner oder Martin Luther. In Frankfurt schuf er unter anderem die Euro-Skulptur vor der Europäischen Zentralbank gegenüber den Städtischen Bühnen oder den „Mr. Quick“ vor dem dpa-Gebäude am Baseler Platz.

Ottmar Hörl, „Goethe-Installation“, Campus Westend der Goethe-Universität, bis 20. Juli 2014

Goethe-Figuren/Goethe-Installation © VG Bild-Kunst, Bonn;
Fotos: Erhard Metz (9) und Albert Schmude (1)

→ Ottmar Hörl bringt Goethe nach Frankfurt!

 

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