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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 6

Andrea Winkler weist uns den Weg – und versperrt ihn

Absperrpfosten, wohin wir schauen. Dazu die von Flughäfen bekannten ausziehbaren Gurte, hier in den Farben Schwarz, Rot und Blau. Das sind – wir staunen und erlauben uns diesen kleinen Exkurs – die Farben der Flagge Ostfrieslands (auf ostfriesisch „Oostfreesland“). Ob die Künstlerin, im hauptstädtischen Berlin sowie im hanseatischen Hamburg wohnend, einen Bezug zu dieser etwas entlegenen und mitunter belächelten Gegend herstellen wollte? Spekulieren wir nicht – und Flughäfen gibt es dort im Ostfriesischen ja auch eher weniger.

Gold- beziehungsweise messingfarbene Ketten wirken um einiges gediegener als die Bänder, erinnern an Absperrungen von Zonen in Museen oder Kirchen, die vom Publikum nicht betreten werden sollen. Zwei blaue „Beachflags“ lassen ein Gefühl von Leichtigkeit und Reisestimmung aufkommen. Dann aber wieder ein garstig anmutendes Scherengitter auf Rollen, schwarz und gelb lackiert, den Farben, die vor Gefahren warnen und in denen sperrige Maschinen oder Baustellenfahrzeuge lackiert sind. (Aber Schwarz-Gelb ist doch bereits seit einigen Monaten passee in unserer Republik …?) Ach, wir schweifen ab – ein wenig „Schuld“ daran geben wir auch der Künstlerin, die ihre früheren Ausstellungen schon mal mit Titeln wie „Du kannst die Polizei belügen, aber nicht mich“ oder  „Das gefährlichste Büro der Welt“ oder „Wir schaffen es von hier nicht mehr an die Erdoberfläche“ versah.

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Short Lets Considered, 2014, Mixed Media, Grösse variabel; diverse Installationsansichten; Courtesy the Artist and Gerhardsen Gerner

Andrea Winkler besetzt, strukturiert und öffnet zugleich mit ihren Installationen den Ausstellungsraum im Untergeschoss des Gebäudes

. Der Betrachter darf, ja soll den Parcours beschreiten, den die „Personenleitsysteme“ erlauben, ihm vorgeben. In der Tat geben all diese Elemente dem Raum etwas Bühnenhaftes, sie „erzählen vom intensiven Ringen mit den Möglichkeiten eines spezifischen Raumes oder Ortes und mit Varianten seiner Theatralisierung“, wie es der Kunstverein formuliert. Und weiter lesen wir dort: „In den gestalteten Räumen wohnt ein Ereignispotential, sie deuten Geschehnisse an und lassen doch völlig offen, was eigentlich geschehen könnte.“

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„Ereignispotential“ manifestiert sich wahrlich in der Installation mit dem Titel „Short Lets Considered“ aus dem Jahr 2014, wobei „Lets“ die Bedeutung „Hindernis“ annehmen kann. Aber: Wir sehen, zwischen den Absperrungen verteilt, Taschen herumliegen, Damen- und Kindertaschen in buntem Dessin, auch kleines Gepäck für einen kürzeren Strandaufenthalt. Manche der Taschen sind wiederum mit kleineren Taschen oder Bekleidungsstücken gefüllt, die Tragriemen sind auf skurrile Weise untereinander verschränkt oder gar abgerissen. Aber wo sind deren Besitzer, wo die Reisenden? Ist etwas passiert? Eine Bombendrohung, ein Attentat, eine Evakuierung? Hat man, auf einer Flucht, alles nicht unbedingt Notwendige wild von sich geworfen?

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Lassen wir den Frankfurter Kunstverein zu Wort kommen: „Die Bildhauerei ist im Wandel. Zwischen den ehemals klarer getrennten Polen der körperbildenden Sockelwerke und der situativen Rauminstallationen sind heute viele spannende Übergangsformen entstanden: zeitgenössische Entwürfe zwischen ‚Skulptur‘, ‚Objekt‘ und ‚Bühne‘, die den funktionalen Blick auf die materielle Welt herausfordern. Die Ausstellung zeigt Werke von neun Künstlern aus Deutschland, Belgien, Schweden, der Schweiz und den USA, die sich auf unterschiedliche Weise mit Plastik und Skulptur beschäftigen. Sie kombinieren Verfahren wie Montage, Skalierung und Rauminszenierung und bearbeiten oder arrangieren Dinge, Objekte und Materialien, um deren erzählerischen Potentiale zu verstärken oder aufzulösen.“

Andrea Winkler, 1975 in Zürich geboren, studierte Visuelle Kommunikation an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (unter anderem bei Professor Wolfgang Tillmans) und an der renommierten Londoner Slade School of Fine Art, wo sie den Master in Fine Art Media erwarb. Die Künstlerin lebt und arbeitet, wie bereits erwähnt, in Berlin und Hamburg.

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„Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne“, Frankfurter Kunstverein, bis 13. April 2014

Fotos: FeuilletonFrankfurt

→  “Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 1

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