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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum

Radiertechnische Meisterwerke in Postkartenformat

Von Hans-Bernd Heier

Rembrandt (1606–1669) ist als Maler einzigartiger Porträts und Historienbilder weltberühmt. Der Meister der Hell-Dunkel-Inszenierung war aber nicht nur ein überragender Maler, er war auch der bedeutendste Druckgrafiker seiner Epoche. Für Martin Sonnabend, Städel-Leiter Graphische Sammlung bis Mitte des 18. Jahrhunderts, war Rembrandt sogar „der grösste Radierer aller Zeiten“.

Rembrandt Harmensz van Rijn, Selbstbildnis mit aufgelehntem Arm, 1639, Radierung, 205 x 164 mm

Neben Historienbildern beschäftigte Rembrandt Harmenszoon van Rijn, so sein vollständiger Name, ein weiteres Thema zeit seines Lebens: die Landschaft. Diesem Sujet widmete sich der niederländische Künstler allerdings weniger in der Malerei, dafür umso intensiver in Zeichnungen und Druckgrafiken. Bis auf ein einziges Werk ist diese Werkgruppe in der reichhaltigen und qualitätsvollen Sammlung des Städel vollständig vertreten. Das Frankfurter Kunstinstitut präsentiert dieses zentrale Kapitel seines Schaffens bis zum 24. November 2013 in der exquisiten Ausstellung „Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“. Die von Sonnabend kuratierte Schau in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung umfasst insgesamt 62 Werke aus dem Bestand des Frankfurter Museums, darunter 46 Radierungen Rembrandts.

Der Heilige Hieronymus in italienischer Landschaft, um 1635, Radierung, Kaltnadel, Kupferstich, 259 x 210 mm

Rembrandts reine Landschaftsradierungen werden durch weitere Werke des niederländischen Künstlers ergänzt. Hierzu zählen radierte Selbstbildnisse, frühe Radierungen, in denen Landschaft im Zusammenhang mit Historien dargestellt wird, wie der heilige Hieronymus in der Einöde, die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten oder Darstellungen arkadischer Schäferidyllen, denen der Meister der Hell-Dunkel-Technik durchaus mit Ironie begegnet.

Ausserdem werden in einem Seitenraum der Ausstellung ein gutes Dutzend an druckgrafischen Landschaftswerken von Vorläufern und Zeitgenossen Rembrandts präsentiert – zum Beispiel Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte von Künstlern wie Pieter Brueghel dem Älteren (um 1525–1569), Domenico Campagnola (um 1500–1564), Adam Elsheimer (1578 – 1610), Hendrick Goltzius (1558–1616), Jakob Ruisdal (1628/9– 1682), Hercules Seghers (um 1590–um 1638) oder Claude Lorrain (1600–1682). Diese Gegenüberstellung ermöglicht den Besuchern einen reizvollen Vergleich der unterschiedlichen Arbeitsweisen und Motivwahl.

Die Brücke des Jan Six, 1645, Radierung, 129 x 224 mm

Rembrandt erlernte die Technik des Radierens als junger Künstler gegen Ende der 1620er Jahre. Zu dieser Zeit hatte die Radierung, die lange im Schatten des Kupferstichs stand, an Aktualität und Popularität gewonnen, denn sie bot die Möglichkeit, sowohl zeichnerische Freiheit als auch malerische Tonalität und Wirklichkeitsnähe in die Druckgrafik zu bringen. Später besass Rembrandt eine eigene Presse, die es ihm ermöglichte, selbst zu drucken und dabei zu experimentieren.

Landschaft mit Bäumen, Bauernhäusern und einem Turm, um 1651, Radierung und Kaltnadel, 123 x 319 mm

Die Landschaftsradierungen Rembrandts zählen zu den seltenen Druckgrafiken des Künstlers. „Das Verhältnis des Künstlers zu seinen Landschaftsradierungen scheint aussergewöhnlich und persönlich gewesen zu sein, denn er vermarktete sie nur zurückhaltend und stellte verhältnismässig wenige Abzüge her“, erläutert Kurator Sonnabend. Die Schau bietet daher die besondere Gelegenheit, diese raren Kostbarkeiten, die aus konservatorischen Gründen nur ganz selten zu sehen sind, zu entdecken.

Rembrandts Landschaftsradierungen entstanden in zwei relativ kurzen Schaffensphasen: die erste Gruppe zwischen 1640 und 1645, eine zweite zwischen 1648 und 1652. Um 1640, kurz nachdem Rembrandt ein repräsentatives Haus in Amsterdam erworben hatte, und in der Zeit, als seine Frau Saskia schwer erkrankte und schliesslich verstarb (1642), begann er, Spaziergänge in die unmittelbare Umgebung der Stadt zu unternehmen. Dabei fertigte er Skizzen an, mit denen er unterwegs seine Eindrücke festhielt. Die Zeichnungen setzte er anschliessend im Atelier in Druckgrafik um und nicht, wie man auch erwarten könnte, in Malerei.

Landschaft mit Bauernhütte und Heuschober, 1641, Radierung und Kaltnadel, 129 x 321 mm

Dieses unmittelbare Naturstudium war also der Ausgangspunkt für die radierten Landschaften. Sie sind jedoch laut Sonnabend nicht als topografische Aufnahmen zu verstehen, vielmehr handele es sich bei sämtlichen Radierungen Rembrandts um genau kalkulierte, eigenständige Kompositionen. Zwar gibt es Motive, die sich lokalisieren lassen und konkrete Orte abbilden (zum Beispiel „Ansicht von Amsterdam“, um 1640/41), andere jedoch kombinieren unterschiedliche Ansichten frei miteinander oder lassen bestimmte Orte nur erahnen.

Die Windmühle, 1641, Radierung und Kaltnadel, 145 x 208 mm

Bei den später entstandenen Landschaften ergänzen bisweilen fantastische, erfundene oder von Landschaftsgrafiken anderer Künstler beeinflusste Elemente Rembrandts Bildwelt, zum Beispiel bei der „Landschaft mit einem viereckigen Turm“ (1650) oder der „Landschaft mit Boot und einer Brücke“ (1650). „Einerseits muten seine Landschaften typisch holländisch an – sie gehen vom Alltäglichen und Gewöhnlichen aus –, andererseits gilt ihr vorrangiges Interesse spezifisch künstlerischen Fragestellungen und Problemen, wie der Komposition, der Suggestion von Weite und Tiefe, der Abbildung von Texturen und schliesslich ganz besonders der Wiedergabe von Atmosphäre und Licht“, analysiert der Kurator.

Das Landgut des Goldwägers, 1651, Radierung und Kaltnadel, 120 x 319 mm

Jede Landschaft ist grundsätzlich ein Ausschnitt der Wirklichkeit. In Rembrandts kleinformatigen Werken, die oftmals nicht einmal Postkarten-Grösse erreichen, scheint jedoch immer die Schöpfung als Ganzes zu sprechen. Exemplarisch mag dafür die vielleicht bekannteste Landschaftsradierung Rembrandts stehen, die „Drei Bäume“ von 1643. Dort entdeckt der sorgfältige Betrachter, winzig klein, einen Zeichner in der Natur, der sich dem grandiosen Schauspiel des Lichts zuwendet, das eine weite, vielfältig belebte Landschaft erfüllt.

Rembrandt liebte es, beim Arbeiten zu experimentieren. So gelang es ihm, mit verschiedenen grafischen Techniken – wie sich überlagernden Schraffuren, bestimmten Linienmustern, mehrfacher Ätzung der Platte, Manipulationen der Plattenoberfläche, Verwendung von „Plattenton“ und Kaltnadel-Akzenten sowie durch eine meisterhafte Verteilung von Hell und Dunkel – ein reiches Ausdrucksspektrum zu schaffen.

Landschaft mit Boot und einer Brücke, 1650, Radierung und Kaltnadel, 83 x 108 mm

Auf der Suche nach neuen druckgrafischen Ausdrucksmöglichkeiten begann der geniale Künstler, besonders seit 1650, zusätzlich zur Ätzradierung die Kaltnadelarbeit auf eine vorher unbekannte Weise einzusetzen. Diese grafische Technik, ein einfaches Kratzen mit einer spitzen Nadel in die Platte, erzeugt schwer kontrollierbare, unregelmässige Effekte und erlaubt im Ergebnis nur wenige gelungene Abzüge – maximal 30 bis 50, allerdings mit stark abnehmender Qualität. Da die Druckplatten bereits bei Rembrandts Tod schon nicht mehr vorhanden waren, dürfte es wohl keine posthume Drucke geben.

Landschaft mit Strasse und Wassergraben, um 1652, Kaltnadel, 72 x 210 mm

Zuvor eher für kleine nachträgliche Korrekturen und Ergänzungen in der Platte verwendet, gewinnt die Kaltnadel-Technik bei Rembrandt eine eigenständige Bedeutung. Seine Suche nach einer ausgewogenen Verbindung der klassischen, geätzten Radierung mit der Kaltnadel führt laut Sonnabend zu stetig wachsenden Anteilen Letzterer und schliesslich zu Grafiken, die ausschliesslich in Kaltnadel ausgeführt sind. In dieser Technik erzielt er Darstellungen mit völlig neuen Lichtwirkungen.

Das Städel verfügt über einen sehr umfangreichen alten Bestand an Rembrandt-Radierungen, der in grossen Teilen schon vom Stifter des Instituts, Johann Friedrich Städel, im 18. Jahrhundert zusammengetragen und im 19. Jahrhundert ergänzt und abgerundet wurde. Heute besitzt das Museum insgesamt etwa 350 radierte Blätter Rembrandts. Einzelne Blätter sind im Laufe des 20. und dieses Jahrhunderts ergänzend hinzugekommen, so zum Beispiel im Jahr 2007 der seltene, kleinformatige Abzug des „Schlafenden Hundes“ (um 1640), der auch in der Ausstellung zu sehen ist.

Alle in der derzeitigen Schau gezeigten Blätter stammen aus der Graphischen Sammlung des Städel, die einen kleinen, doch künstlerisch sehr reizvollen Ausschnitt aus ihrem reichen und über 100.000 Blätter umfassenden Bestand an Zeichnungen und Druckgrafiken präsentiert.

Im Jahr 2003 waren Radierungen des niederländischen Künstlers schon einmal Gegenstand einer Ausstellung im Städel. Damals wurde jallerdings anhand von etwa siebzig ausgewählten Exemplaren ein Querschnitt des Sammlungsbestands präsentiert.

„Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“, bis 24. November 2013 im Städel Museum

Fotos: Städel Museum Frankfurt am Main

→ Goethe und “Rembrandt der Denker” im Frankfurter Goethe-Museum

Vgl. auch:   → Albrecht Dürer – der „moderne“ Künstler der Renaissance

⇒⇒⇒  Das neue Städel – Alte Meister
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⇒⇒⇒  Aufstieg in die World League: Max Holleins Städel Museum

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