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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Artists in Residence”-Programm 2012 Frankfurt am Main / 2

Andreas Rohrbach in Wien

Von Erhard Metz

Das Tierchen ist der Hingucker und Publikumsliebling der gegenwärtigen Artists in Residence-Ausstellung im ATELIERFRANKFURT. Aber ist es denn überhaupt ein Tierchen? Oder vielmehr ein kleines Mistbiest von einem Bakterium, das Menschen, Tiere und auch Pflanzen krank macht und quält, oder – ebenso schlimm – ein Virus? Ein Unwesen also, das da so frech und unverschämt auf seiner Kiste hockt, jederzeit bereit, dem sich Nähernden eine üble Infektionserkrankung anzuhängen?

Der für die Ausformung dieses wie auch immer gearteten Wesens oder Unwesens verantwortlich zeichnende Künstler Andreas Rohrbach nennt es schlicht und einfach „Norbert“ (liebe Norberts in aller Welt, zürnt dem Autor dieser Zeilen nicht, denn er kann für die Namensgebung nichts!). Rohrbach interessiert sich für Mikrostrukturen und Mikroorganismen, und er befasst sich mit der Darstellung von Natur in der Kunstgeschichte. In seinen Arbeiten – seien es Skulpturen oder Zeichnungen – finden wir immer wieder elementare Gebilde und Strukturen aus der sichtbaren, vor allem der dem menschlichen Auge ohne Hilfsmittel unsichtbar-verborgenen Natur. Ihnen eignet oft etwas Groteskes, Skurriles, auch Obskures. Und auch eben Lustiges: etwa das Schweinchen-Rosa des – na ja, sagen wir – Vorderteils im Kontrast oder, wenn man so will, in eher komischer „Harmonie“ zu den frühlingshaften Grüntönen des einem Hinterleib ähnelnden, zottenbehangenen Teils.

Dass es sich bei „Norbert“ um eine farbig gefasste, aus einem Stück gearbeitete Marmorskulptur handelt, sieht man erst auf den zweiten Blick. Deren Ausmasse sind respektabel: 165 mal 60 mal 55 Zentimeter. Nun hat Rohrbach, wie Kurator Bernd Reiß bestätigt, die Skulptur nicht bei seinem Artist in Residence-Aufenthalt in Wien gefertigt und dann an den heimischen Main verfrachtet, wohl aber vermutlich die in ihrem Umfeld platzierten Zeichnungen. Auch sie befassen sich mit biologisch-molekular anmutenden Strukturen und Elementen, etwa die vier Meter in der Breite und 46 Zentimeter in der Höhe messende aquarellierte Zeichnung „Kosmos“ in ihrer farblichen Entsprechung zur Skulptur.


An der anderen Wand zwei Zeichnungen, sie scheinen aus einer Werkreihe „Editionen“ des Künstlers zu stammen.

Rohrbachs Skulpturen und Zeichnungen – aus ersteren wachsen vielfach wurm-, schlangen- oder phallusähnliche Gebilde heraus, in letzteren sehen wir oft körperzellartige Strukturen und Gewebe – handeln stets von einer lebendigen Natur. Und wo Leben ist, ist immer auch etwas von Sinnlichkeit und Wärme, von Fortgang und Weiterentwicklung. Und schliesslich sind alle diese Arbeiten von einer ruhigen Schönheit und Haptik: Wie gerne möchten wir „Norbert“, der ja als Skulptur weder infektiös noch ansteckend ist, mit der Hand über seine feine marmorne Oberfläche streichen.

Leider lassen sich die Objekte im ungüstigen Kunstlicht der Ausstellungsräume, wie auch Berufsfotografen beklagen, nur sehr schlecht fotografieren.

Andreas Rohrbach wurde 1965 in Stuttgart geboren. Nach einer Ausbildung zum Steinbildhauer studierte er von 1989 bis 1994 an der Städelschule Bildhauerei bei den Künstlern und Professoren Ulrich Rückriem, Stephan Balkenhol, Ludger Gerdes und Georg Herold und war Meisterschüler von Franz West. Im Jahr 1994 war er Marinemaler – wir wussten bis heute nicht, dass es so etwas gibt – bei der Bundeswehr. Er bestritt zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland und hatte Lehraufträge an der Städelschule sowie der Universität Siegen. Im kommenden Jahr wird Rohrbach einen Lehrauftrag an der Kunstakademie in Stuttgart wahrnehmen.

“Artists in Residence” 2012, ATELIERFRANKFURT, bis 25. Januar 2013

Abgebildete Werke © der Künstler; Fotos: Erhard Metz

→  “Artists in Residence”-Programm 2012 Frankfurt am Main / 3

 

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