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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Biennale Arte Venedig 2011 (10): Raja und Shadia Alem „Black Arch“

„Black Arch“ ist der offizielle Beitrag des Königreichs Saudi-Arabien zur 54. Kunstbiennale in Venedig. Gestaltet haben ihn die Künstlerinnen-Geschwister Raja und Shadia Alem. Man findet diese faszinierende Arbeit in den Arsenale gleich hinter der langen Corderie.

Raja Alem wurde 1970 in Mekka geboren. Sie studierte an der König Abdulaziz Universität in Dschidda Englische Literatur. Zunächst setzte sie sich mit Mythen, Sagen und Geschichten in islamischer und vorislamischer Zeit auseinander, später mit dem Physischen und Metaphysischen und mit Fragen zwischen „Ost“ und „West“. Sie schrieb Essays, Novellen, Kurzgeschichten und Romane. Raja erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, jüngst in Dubai den arabischen Booker Prize.

Auch Shadia Alem, Rajas Schwester, wurde in Mekka geboren. Sie arbeitet als Malerin und Fotografin und erwarb sich mit ihren Installationen einen Namen weit über die arabische Welt hinaus in Asien und Europa. In Deutschland stellte sie 2005 im Kunst Museum Bonn aus und 2010 in Berlin.

Beide Geschwister unternahmen in den 1980er Jahren umfangreiche Reisen mit dem Ziel, die kulturelle Vielfalt weltweit kennenzulernen und den Ursprüngen fremder Kulturen nachzuspüren, die seit jeher, vor allem in den Erzählungen auswärtiger Pilger in Mekka, ihre kindlichen Phantasien beflügelt hatten.

Raja und Shadia Alem leben und arbeiten beide in Paris und in Dschidda.

Ist es ein Märchen aus Tausendundeine Nacht, das sich visualisiert, ist es ein riesiges Tableau mit tausend und mehr funkelnden Diamanten, das sich vor unseren Augen ausbreitet?

Das jetzt in Venedig gezeigte skulpturale Werk besteht aus einem nahezu kreisförmigen Oval, gebildet aus in konzentrischen Bögen angeordneten glänzenden Kugeln in Chrom, einem Kubus aus Edelstahl sowie einem rückwärtig mit einem schwarzen Schleier verkleideten Edelstahl-Spiegel, der die zu der Arbeit gehörenden Lichtprojektionen – Szenen aus den vergoldeten Mosaiken des venetianischen Marcus-Doms – sowie die Umgebung der Ausstellungshalle samt den betrachtenden Besuchern reflektiert. Eine Klanginstallation ergänzt den Auftritt.

Hintergrund der Arbeit der beiden Künstler-Schwestern sind zum einen die Wallfahrten von jährlich Millionen von Pilgern aus aller Welt in ihre Heimatstadt Mekka und die zahlreichen persönlichen Begegnungen mit pilgernden Gästen, die zur Haddsch in ihrem Elternhaus traditionell Aufnahme fanden, zum anderen die alten Traditionen und Überlieferungen Saudi-Arabiens, erzählt von Tanten und Grossmüttern im heimischen Familienkreis wie auch von den fremden Wallfahrern im Haus. „Black Arch“ reflektiert, erklären Raja und Shadia, das in ihrer Kindheit und Jugend allgegenwärtig erlebte Schwarz, das Schwarz der verhüllten Frauen, das Schwarz der Kiswa, des die Kaaba umhüllenden Tuches, das Schwarz des Steines, des zentralen Heiligtums. Das Schwarz soll für das kollektive Gedächtnis stehen, die verchromten Kugeln für die – den Austausch zwischen den Kulturen bewirkenden – Seefahrer auf den Weltmeeren, der Kubus für die Kaaba, die Klangkomposition für die Gegenwart.

In dem Künstlerinnen-Duo ist die Schriftstellerin Raja die Erzählerin, während Shadia das Erzählte und Erlebte in eine Formen- und Bildsprache umsetzt.

„Black Arch“ spiegelt die verschiedenen Vorstellungen von Welt wider, von Dunkel und Licht, von der Vergangenheit zur Gegenwart, und will einen Bogen spannen von Mekka nach Venedig, den beiden alten kosmopolitischen Städten. Die weltweiten Reisen Marco Polos werden dabei ebenso reflektiert wie die Explorationen des weltreisenden Berbers Ibn Battuta im 14. Jahrhundert. Raja und Shadia möchten mit ihrer Arbeit eine Brücke bauen zwischen den unterschiedlichen Kulturen der Welt.

Installation “Black Arch” © Raja und Shadia Alem; Fotos der Ausstellungsansichten: FeuilletonFrankfurt

→Biennale Arte Venedig 2011 (11): Adrián Villar Rojas “The Murderer of Your Heritage”


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