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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Max Pauer

„Im Anfang liegt alles beschlossen.“

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Introspektion, Ölmalerei hinter Kunststofffolie, 2008

„Introspektion“ betitelt Max Pauer seine Arbeit.

Röntgenblick in das eigene Ego, das eigene Cerebrum mit seiner unendlich erscheinenden Zahl an Verschaltungen und Funktionen, Botenstoffe ausschüttend, Hormone dirigierend, Nerven bis in die entferntesten Körperwelten stimulierend, von dort wiederum Stimulationen empfangend? Der Blick in ein diversifiziertes physisches und psychisches Geflecht von Senden und Empfangen, Wohlbefinden und Schmerz, Liebe und Angst, Hinwendung und Flucht, Zuversicht und Verzweiflung, ein Geflecht von Fragen und dem Suchen nach Antworten? Der Blick in ein unerschliessbares Geheimnis, das Geheimnis des Lebens, der eigenen Existenz?

„Im Anfang liegt alles beschlossen“. Wir erlauben uns dieses unverdächtige Zitat des in manchem anderen kritisch rezipierten Philosophen Martin Heidegger.

Das Grosse liegt im Kleinen, das Kleine im Grossen beschlossen. Mikro- und Makrokosmos begegnen sich, verweben sich in Max Pauers Arbeiten. Der Künstler stellt Fragen. Es sind die alten Fragen der Menschen. Das Faustische „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Max Pauer sucht in seiner Kunst nach Antworten. Beidem, dem Fragen und dem Suchen, gibt er in seinen Werken Gestalt.

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„Alchimistische Bilder“ nennt Max Pauer eine Serie fotografischer Vergrösserungen von Miniaturen in Mischtechnik auf Glas.

Es sind mit kaum glaublicher Akribie ausgeführte Aufglasmalereien, auf Glasscheibchen meist im Kleinbildfilmformat, über einhundert an der Zahl. Der Künstler fertigt sie mit feinsten Werkzeugen. Die Malmittel stellt er – oft experimentell – selbst zusammen, Überraschungen stellen sich ein, scheinen nicht unwillkommen. Die winzigen Substanzen entwickeln sich, entfalten ein Eigenleben, bevor sie trocknen. Dann kommt die Zeit, dass Pauer die Glasscheibchen fotografiert und um ein Zigfaches vergrössert.

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Das Grosse liegt im Kleinen, das Kleine im Grossen beschlossen: Es entstehen fotografische Abbildungen von einer erstaunlichen Intensität und Dichte: Bakterien, Viren, Mikroben aus der Petrischale unter dem Rasterelektronenmikroskop könnten in ihrer Gestalt nicht fantasievoller aufscheinen. Die fotografischen Vergrösserungen versetzen uns in die Welt kleinster zellularer Strukturen, der Moleküle, der Atome, der diese wiederum bildenden allerkleinsten Teilchen, bis dorthin, wo Materie als ein Zustand von Energie sich gänzlich in diese auflöst.

Es ist die Welt im Allerkleinsten – aber auch im Allergrössten:

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Zieht da nicht ein Meteor im interstellaren Raum seine Bahn, ein winziger Teil des Universums, vor fernen Gestirnen, diese wiederum winzige Teile einer der Millionen von Galaxien?

Das Glas – es scheint Max Pauer zu faszinieren. Ein Scheibchen simplen Glases, Silicium, Natrium, Calcium und Aluminium, jeweils als Oxide. Ein einzigartiger, höchste Leuchtkraft, Brillianz und Kontraste ermöglichender Malgrund. Nicht umsonst begegnen wir dieser Technik vorzugsweise in der sakralen Malerei. Komplizierter gestaltet sich die Hinterglasmalerei: Dort trägt der Künstler lichtundurchlässige Farben seitenverkehrt auf die Glas“rückseite“ auf. Ein langwieriges, ja mühsames Verfahren, über Jahrhunderte hinweg widmeten sich künstlerisch begabte, in der Nähe der Glashütten angesiedelte bäuerliche Familien in den langen Wintermonaten dieser Kunst, das Hinterglasmuseum im oberösterreichischen Sandl wie auch die Museumssammlungen in Freistadt und Linz legen ein beredtes Zeugnis dieser alten Maltradition ab.

In Max Pauers Palette dominieren die dunklen Töne, die kontrastierenden Stufen des Grau bis hin zum tiefen, reinen Schwarz.

Ein „Schlüsselbild“: Ist es eine Antwort auf des Künstlers Fragen?

Es ist das Wort „Risiko“, mit dem die feinnervigen, vegetativen Strukturen eines „alchimistischen Bildes“ in einer Mischtechnik mit Hinterglasmalerei durchschrieben sind. Ein Lebensgrundsatz, ein Lebensbekenntnis, wie wohl bei vielen Künstlern von autobiografischer Dimension.

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Max Pauer wechselt in seinem Schaffen zwischen den künstlerischen Medien. Insbesondere untersucht er die Wechselbeziehungen zwischen Malerei und Fotografie. Beide Arbeitstechniken befruchten sich gleichsam gegenseitig.

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Winternacht, Ölmalerei hinter Glas, 2005

Die „Winternacht“: ein kleines Meisterwerk, die Lichtpunkte sind mit winzigen, mit der Fingerkuppe aufgetragenen Tröpfchen in Weiss ausgeführt, anschliessend wurde die Glasplatte schwarz übermalt.Schwarz und Weiss stossen aufeinander, die hell erleuchteten Fenster erzeugen das Gegenteil von Wärme: Winterkälte, menschliche Kälte liegt vor und über der Frankfurter Hochhaussilhouette.

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Tiefflug, (Analogfotografie, Farbdia), 2003

„Neues vom Kronberger Malerblick“ nennt der Künstler eine in ihrer Perspektive ähnliche, jedoch als Hinterglasmalerei ausgeführte Ansicht der im südöstlichen Taunusabschwung gelegenen Stadt Frankfurt am Main.

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aus der Serie „Urbi et Obi“ (Analogfotografie, schwarz/weiss), 2001

Doppelt verschattet und in der Spiegelung gebrochen strahlt der monumentale Frankfurter Messeturm gegen die ihn bedrängende benachbarte Baustelle an. DJ BOBO blickt wie aus einer anderen Welt in die Szenerie.

Umfangreich ist Max Pauers zeichnerisches Werk. Es ist ein feiner, oft kaum wahrnehmbarer Strich, die Motive, mitunter Vexierbildern gleich, sind bei allem Minimalismus in ihrer Figürlichkeit erlebbar.

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Giovanna Paola, Zeichnung

Schon der Titel der Zeichnung provoziert in seiner zweideutigen Anspielung (eine legendenhafte, im 9. oder 11. Jahrhundert angesiedelte, in ihrer Existenz historisch nicht belegte „Päpstin“ soll auf den Namen Giovanna gehört haben), der feine Strich enthüllt den Antagonismus zwischen dem kargen, „giacomettihaften“ Kreuz der Christenheit und einem sich hier in Leibesüberfülle ausdrückenden, selbstentlarvenden obrigkeitlichen Machtanspruch.

Max Pauer, Frankfurter von Geburt und, wie er betont, aus Überzeugung, zeigte, nach Studium in Frankfurt und Gaststudium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach mit dem Schwerpunkt konzeptuelle Fotografie bei Rudolf Bonvie, seine Arbeiten in  zahlreichen Gruppenausstellungen: 2005 Dia-Installation „Urbi et Obi“ in der Reihe „jour fixe“ bei Gabriele Juvan, Offenbach; 2006 „draußensein“ mit Uta Mallin, Wiesengrund im Finkenhof, Frankfurt, und Gruppenausstellung „Künstler der Galerie“, Galerie Wildwechsel, Frankfurt; 2007 Gruppenausstellung „blind gekommen“ in der Galerie Heimspiel, Frankfurt, ferner „Die Sammlung Rausch“ („It Takes Something To Make Something“), Portikus, Frankfurt, sowie „Open Doors“ – Tage der offenen Ateliers des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main als Gast im Frankfurter Atelier holgerherrmann; 2008 Schweizer Nº 9 mit Elizabeth Dorazio und Nikolaus A. Nessler (ehemalige Räume der Galerie Voges), Frankfurt, ferner die Lichtbildinstallation „Adventsturm“, Wartburggemeinde Frankfurt am Main.

Wer sich in der Frankfurter Kunstszene bewegt, begegnet Max Pauer regelmässig. Noch nicht allen jedoch ist der schlanke, hochgewachsene Mann als derjenige bekannt, der er im Ureigensten ist: ein sensibler wie begabter Künstler. Gesine Götting nimmt ihn zum „Gegenstand“ ihrer am vergangenen Montag eröffneten vielbeachteten Ausstellung „Album“ im 1822-Forum der Frankfurter Sparkasse: Der dortige Galerist, unser Künstler, als Objekt der Künstlerin, die er ausstellt, dessen galeristisches Objekt sie also selbst wiederum ist. Wer stellt am Ende wen aus? Und wie erträgt der Galerist diese Situation?

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Max Pauer im Gespräch mit Gesine Götting vor ihrer Zeichnung „April 2009“, Kugelschreiber auf Papier, 2009 (nach einer Fotografie von Wolfgang Günzel: Max Pauer im Gespräch mit Städel-Professor Tobias Rehberger)

„Im Anfang liegt alles beschlossen“. Man muss sich dessen bewusst sein. Im kleinen Kern ist der spätere starke Baum angelegt. Es dürfen dabei auch Umwege gegangen werden, denn auch sie führen zum Ziel. Am kommenden Freitag, 31. Juli 2009, eröffnet Max Pauer im Frankfurter „Kunstraum Lalibela“ seine eigene Einzelausstellung „Mother Nature And Suns“. Seine Werkschau in der Klingerstrasse 2 – 4 wird bis zum 11. September 2009 zu sehen sein (Öffnungszeiten täglich 13 bis 23 Uhr, Freitag und Samstag bis 24 Uhr).

(abgebildete Werke © Max Pauer und Gesine Götting; Fotos: Max Pauer [1 – 9], FeuilletonFrankfurt [10])


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