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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die „West-Ateliers“ in Frankfurt am Main

Von Erhard Metz

Zugegeben – in die Idsteiner Strasse, und dazu noch weit hinaus in deren westlichen Teil, wird einen Frankfurter nur selten der Weg führen, eher vielleicht in das dort nahe herangerückte, in seinem ungestümen Wuchs durch Querstrassen und Baulücken gut sichtbare neue Europa-Viertel und in dessen Europa-Allee (von Lästermäulern bereits als „Stalin-Allee“ apostrophiert wegen ihrer sterilen Bebauung im Investorenstil, die manche an die bekannte, allerdings vom Klassizistischen Sozialismus geprägte Ost-Berliner Endlosmeile erinnert). Aber wir wollen nicht abschweifen.

Nun – Kunstinteressierte lenken ihre Schritte durchaus und gern in die Idsteiner Strasse (nebst den Nachbarstrassen Hornauer bzw. Lorsbacher Strasse, jeweils Ecke Frankenallee), denn dort hat sich in Gebäuden der Hellerhofsiedlung im Gallus eine Art von Künstlerkolonie angesiedelt, in ehemaligen kleineren und grösseren aufgegebenen Ladengeschäften zu ebener Erde, mit kleineren oder grösseren Schaufenstern zum Gehsteig hin. „RADAR – Kreativräume für Frankfurt am Main“ hat sie im Auftrag des Stadtplanungsamtes und in Kooperation mit der ABG Frankfurt den Künstlerinnen und Künstlern zunächst für fünf Jahre zu verträglichen Konditionen vermietet. Die so entstandenen Ateliers sind durchaus reizvoll, man kann dort sozusagen im offenen Schaufenster unter Anteilnahme der umgebenden Wohnbevölkerung arbeiten oder aber auch die Fenster verkleiden und die Vorhänge zuziehen – ganz nach Temperament und Gusto.

Zehn Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler – Ulrike Klaibor, Robert Mondani, Stefan Reiling, Franz Konter, Michael Bloeck (bepoet), die Ateliergemeinschaft Amalia Barboza und Niklas Klotz, Ruth Luxenhofer, Barbara Schaaf und Simon Ndrejaj – hatten Ende vergangenen Jahres zu einem sonntäglichen Atelierrundgang eingeladen. Wer der Einladung folgte, konnte sich von der hohen Qualität des künstlerischen Schaffens im Westen Frankfurts überzeugen.

Viel Neues zu sehen gab es bei Stefan Reiling, der vorwiegend in Mischtechnik arbeitet – Malerei in Öl und Lack auf Kapaline-Platte oder Leinwand, oft auf der Basis von Fotografien. Wir berichteten über den Künstler im Rahmen der Frankfurter Ateliertage 2014.

Eine Art bunter Flickenteppich öffnet in seinen Umrissen im unteren Teil des Bildes mancherlei Assoziationen; mit seinem „Ego“ – oder ist es sein „Alter Ego“ – beschäftigt sich der Künstler in seinem halb-janusköpfigen „Alles Ich“.

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↑ o.T., Öl und Lack auf Leinwand, 200 x 200 cm
↓ Alles Ich, Foto und Öl auf Kapaline-Platte, 70 x 100 cm

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Franz Konter, 1954 im saarländischen Völklingen geboren, studierte an der Mainzer Gutenberg-Universität Kunstpädagogik und liess sich nach Reisen in die USA und nach Kanada, Afrika und Asien als freischaffender Maler, Zeichner und Bildhauer in Frankfurt am Main nieder. Zusammen mit dem Verlag Astrid Konter gestaltet er die EditionKonter mit bibliophilen bildnerisch-literarischen Buchausgaben.

Seine unbetitelten zweiteiligen, oft collagierten Gemälde verstehen sich nicht unbedingt als Diptycha, sondern die Leinwände können durchaus jeweils für sich allein stehen. Sie bestechen mit ihren kraftvollen Farben und den wuchtigen – und doch bisweilen so zärtlichen – Formen, in denen der Betrachter seltsame Wesenheiten aus Fauna und Flora entdecken kann.

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↑ o.T., 2-teilig, Acryl / Collage auf Leinwand, 135 x 135 cm
↓ o.T., 2-teilig, Acryl / Collage auf Leinwand, 120 x 120 cm

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Wir räumen ein: ein Faible für die Werke der Malerin Ruth Luxenhofer entwickelt zu haben. Aussergewöhnlich interessant ihre Arbeiten auf Eisenblech, einem Malgrund, der sich im Laufe der Zeit verändert und das Werk „leben“ lässt. Ebenfalls aussergewöhnlich ihr grossformatiger Storch, eine Arbeit, die bei einem Aufenthalt im Mecklenburgischen entstand und deren feiner, das Storchennest umgebender Hintergrund dem Betrachter viel Raum zu einem genauer erkundenden Studium gibt.

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↑ Aus der Serie „Sonnenwenden“, 2014, Acryl auf Eisenblech, 90 x 70 cm
↓ Storch, 2015, Mischtechnik auf Leinwand, 230 x 180 cm

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Eine Neuentdeckung bedeuteten für uns die feinst ausgeführten Glasmalereien von Barbara Schaaf. Zwei einander zugeordnete Plexiglasscheiben bilden jeweils ein Werk, das – frei im Raum hängend – je nach den tageszeitlichen Licht- oder abendlichen Kunstlichteinfällen für allerlei nicht nur dekorative Überraschungen sorgt. Dass sich die Künstlerin mit aktuellen politischen Fragen von Umwelt- und Arterhaltung befasst, offenbaren bereits ihre Werktitel und erst recht ihre Arbeiten.

Barbara Schaaf (1)

↑ Wüsten-Welle, 2016, Acryl auf 2 Plexiglasplatten, je 100 x 100 cm
↓ Meer-Müll, 2016, Acryl auf 2 Plexiglasplatten, je 100 x 100 cm
Bildnachweis/Fotos: Barbara Schaaf

Barbara Schaaf (2)

Barbara Schaaf, 1965 in Wiesbaden geboren, studierte Kunstpädagogik an der Gesamthochschule Siegen und anschliessend Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach mit dem Abschluß Diplom-Designerin und den Schwerpunkten Malerei, Zeichnung und Illustration. Zahlreich sind ihre Arbeiten auf Leinwand und Papier. Und gern erwähnen wir ihre Tätigkeit als Ergotherapeutin, zuletzt in der Leitung der Kreativ-Werkstatt bei der „Lebenshilfe-Main-Taunus-Kreis e.V.“ für geistig und körperlich behinderte Erwachsene.

Den in vielem dem Hyperrealismus zuzurechnenden Bildhauer Niklas Klotz besuchten wir bereits Ende 2009 noch im alten ATELIERFRANKFURT in der Hohenstaufenstrasse und vor zwei Jahren dann am neuen Domizil im Gallus. Gemeinsam mit ihm freuen wir uns über den schönen Auftrag für ein Kunstwerk im öffentlichen Raum: Er gestaltete die etwa lebensgrosse Skulptur des Heiligen Franziskus an der Ostfassade des Frankfurter Liebfrauenklosters, genauer gesagt des Kapuzinerklosters Liebfrauen (die Kapuziner gehören zu den franziskanischen Orden). Das Modell steht in seinem Atelier und weckte sofort unsere Neugier.

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↑ Modell des Heiligen Franziskus im Atelier des Künstlers
↓ Die ausgeführte Skulptur an der Ostfassade des Liebfrauenklosters

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Pan-B

Wie viele wohl der Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern mögen die Skulptur dort in luftiger Höhe über dem Eingang zu Kloster und Kirche bereits entdeckt haben?

Franziskus, gekleidet in einen schlichten, modern anmutenden Hosenanzug, die Jacke mit Kapuze und einem Strick gegürtet, breitet auf einem kleinen Vorsprung hockend seine Arme mit weit ausholender, einladender Geste über dem bescheiden dimensionierten, zur Pforte und zum Meditationshof führenden Portal aus.

Könnte es einem Freund aktuellen Kunstgeschens in Frankfurt jemals langweilig werden? Ganz sicher: nein, niemals!

Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen/Künstler;
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Erhard Metz

→ FAT – Frankfurter Ateliertage 2014 (10)

 

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