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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Pianist Xi Zhai im Hauskonzert von Viviane Goergen

Ein feinsinniger Virtuose

Von Renate Feyerbacher

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Viviane Goergen und Xi Zhai

Die Hauskonzerte der Luxemburgerin Viviane Goergen in Frankfurt am Main sind ein Geheimtip. Die einst in vielen internationalen Konzertsälen spielende Pianistin, die vor einer Königin (Niederlande), vor einem Kaiser (Japan), vor einem Großherzog (Luxemburg), vor einem Hohenzollernprinzen und vor manchen Politikern konzertierte und ausserdem mentale Trainerin ist, engagiert sich in der Förderung junger, ausgezeichneter Klaviertalente. Wie immer lud sie im Mai prominente Gäste, unter ihnen Professor Joachim Volkmann von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt oder den luxemburgischen Pianisten Jean Muller, zum Konzert mit dem chinesischen Künstler Xi Zhai ein.

Mit chinesischer Freundlichkeit, ganz locker, noch in Alltagskleidern, empfing mich Xi Zhai. Wir hatten uns zuvor zum Gespräch verabredet und er war auch bereit, mich erste Eindrücke bei der Probenarbeit hören zulassen. Ich konnte spüren und empfinden, wie grossartig dieser Abend werden würde. Es war ein reiner Chopin-Abend, der mit dem Grande Valse Brillante op. 18 in Es-Dur begann. Ihm folgten vier Mazurken op. 33, 12 Etüden op. 10 und nach der Pause 12 Etüden op. 25. Gastgeberin Viviane Goergen hatte den jungen Pianisten zu diesen 24 Etüden „motiviert“, wie sie in ihrer Ansage verriet. Ein Mammut-Programm, das er wahrlich brillant meisterte.

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Xi Zhai spielt sich auf Viviane Goergens Flügel ein

Den Grande Valse bot er mit tänzerisch-virtuosem Schwung. Bei den vier Mazurken war das Folkloristische, das Naive, das Robuste, aber auch das Traurige zu empfinden. Fréderic Chopin (1810-1849) hinterliess 27 Etüden, davon 12 in op. 10 und 12 in op. 25, drei wurden posthum veröffentlicht. Die beiden Tonarten Dur und Moll wechseln sich ab. Die Etüden werden als „Magna Charta des Klavierspiels“ bezeichnet. Opus 10 hat Chopin im Alter von 19 bis 22 Jahren komponiert, danach bis 1837 Opus 25. Er widmete sie Franz Liszt und dessen Geliebten und Lebensgefährtin Gräfin Marie d’Agoult.

Xi Zhai, der soeben 28 Jahre alt wurde, arbeitet einmal meisterhaft die lyrische, sanglich-belcantische Klangfarbe heraus, ein andermal die virtuose. Da flitzen die Finger über die Tasten. Bewundernswert die technisch brillante Fingerfertigkeit, die sofort in feinste, ruhige Läufe überwechseln kann. Das ist fulminant beherrscht mit tiefem musikalischem Empfinden. Für ihn sind die Etüden ein Muss eines jeden Pianisten, aber nicht als eine reine Fingerübung, sondern im Sinne eines Instrumentalwerkes, das zwar die Finger trainiert, aber kompositorisch ein Juwel ist. Ein feiner Humor durchzieht sein Spiel und sein Wesen. „Musik ist für mich eine Sprache mit Klang, mit Vokal, mit Dissonanz und mit Dynamik. Die Musiksprache ist eine mit Emotionen.“

Schalk blitzt auf, als er erzählt, dass Mutter und Vater ihn schon als Geiger sahen. Denn beide waren Geiger und spielten in Orchestern in der chinesischen Provinz Shanxi, wo er geboren wurde. Es wurde in seinem Elternhaus viel westlich-klassische Musik gehört. Die Eltern liessen zu, dass er mit sechs Jahren zunächst begann, die Grundlagen von Tonsatz und von Harmonie auf dem Klavier zu erlernen. Nach zwei Jahren – so dachten sie – würde er zur Geige wechseln. Er lächelt, das Klavier habe ihn nicht mehr losgelassen. Die Eltern akzeptierten. Er bekam zuhause Privatunterricht und zog dann mit zwölf Jahren nach Shanghai in eine Art Studentenheim. Das sei sehr früh gewesen, aber Heimweh habe er nicht gehabt, heute schon mal eher.

Als er 14 Jahre alt war, unterrichtete ihn der bekannte Klavierpädagoge Dachun You in Shanghai. Er nahm an Meisterkursen teil und gab mit 15 Jahren in seiner Heimatstadt Taiyuan seinen ersten Soloabend. 2009 – mit 21 Jahren – zog Xi Zhai nach dem Abschluss seines Studiums in Shanghai nach Deutschland. Zwar hatte er sich zunächst in die USA begeben wollen; aber der deutsche Dirigent Elahiu von Erlenbach, der in China aktiv ist, überzeugte ihn, sein Studium bei Professor Joachim Volkmann an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt fortzusetzen, dessen Schüler von Erlenbach war. Professor Volkmann (geboren 1931), den der weltberühmte Pianist Wilhelm Kempff 1953 zu seinem internationalen Interpretationskurs einlud, war 1964 an die Frankfurter Musikhochschule berufen worden. Er konzertierte in vielen Ländern Europas und erwarb sich einen Ruf auch als Herausgeber von Klavierliteratur.

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Professor Joachim Volkmann und Xi Zhai

Der Anfang sei für ihn schwer gewesen, sagt Xi Zhai. Professor Volkmann war bereits emeritiert, aber er habe Glück gehabt und sei sein „echter“ Student geworden. „Herr Volkmann ist wie ein Vater für mich in Deutschland. Er kommuniziert immer mit mir.“ Mittlerweile hat Xi Zhai auch in Frankfurt sein Studium beendet. Im letzten Jahr gastierte er dreimal in China, unter anderem in Peking. In Shanghai und Hong Kong hat er Preise gewonnen. Allerdings ist er kein Freund von Wettbewerben. Als er sehr jung war, fand er sie gut, heute nicht mehr. Xi Zhai war bereits Gast in der Alten Oper Frankfurt und mehrfach im Frankfurter C. Bechstein Center, gastiert mit Orchestern in Deutschland und China. Für den mehrfach ausgezeichneten Pianisten Christopher Park (Förderpreisträger des Rheingau-Musikfestivals 2012), der sich an der Hand verletzt hatte, sprang er vor drei Jahren ein und bereitete sich innerhalb von lediglich zweieinhalb Tagen auf Chopins 2. Klavierkonzert vor.

Außerdem ist Xi Zhai Stipendiat der arteMusica-Stiftung, die die Frankfurter Sparkasse vor einem Jahrzehnt ins Leben gerufen hatte.

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(Der erste Video-Link „Scarbo” aus Ravel’s „Gaspard de la Nuit“ ist ohne Funktion.) Man beachte die Video-Einspielung der „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach von 47:03 min. Dauer – mit ständigem Blick auf die Hände des Künstlers. Zum Vergleich denken wir an die beiden Referenz-Aufnahmen von Glenn Gould von 1955 – 38:27 min. – und von 1981 – 51:15 min. -)

Sein Repertoire reicht von Barock über Klassik und die Romantik – er ist begeistert von Franz Schubert und Robert Schumann, den er für den Inbegriff der Romantik hält – bis zur Moderne. Sämtliche Klavierkonzerte von Mozart, von Beethoven, von Brahms und von Chopin gehören dazu.

Und wie fühlt er sich ohne Familie in Frankfurt? Die Eltern, die heute in der Nähe von Peking leben, habe er bei seinem letzten Konzert besucht. An der hiesigen Hochschule lernte er die Pianistin Anna Stepanova kennen, mit der er heute befreundet ist. Die beiden konzertieren oft gemeinsam als Klavierduo.

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Xi Zhai mit der Pianistin Anna Stepanova
Xi Zhai und der Pianist Jean Muller

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Es ist zu wünschen, dass der junge Pianist Xi Zhai eine Konzertagentur findet, die ihn in die grossen Konzertsäle Europas und der Welt führt.

Fotos: Renate Feyerbacher

→ Pianistin Patricia Hase zu Gast im Hauskonzert von Viviane Goergen
→ Pianist Jean Muller im Hauskonzert von Viviane Goergen und in der Alten Oper Frankfurt

 

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